Testleser - warum und woher?
Was sind Testleser und wann kommen sie ins Spiel?
Testleser kommen vor dem Lektorat zum Einsatz. Sobald du dein Manuskript fertiggestellt hast und damit zufrieden bist, kannst du dich auf die Suche nach einem Testpublikum machen, das deine Geschichte genauestens unter die Lupe nimmt.
Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass Leser noch während des Schreibprozesses eingebunden werden. Das bringt sowohl Vorteile als auch Nachteile mit sich. Dein Testpublikum kann dich im Hinblick auf Handlung, Figuren und deren Wirkung nach außen hin aktiv beraten. Du kannst also Plotstränge von Beginn an deiner Zielgruppe anpassen. Zudem motiviert es natürlich, wenn man regelmäßig gutes Feedback zu den einzelnen Kapiteln bekommt. Es wird auch ein gewisser Zeit- und Leistungsdruck aufgebaut, da man Testleser nicht zu lange auf eine Fortsetzung warten lassen will.
So etwas kann dich entweder antreiben oder unheimlich frustrieren. Entscheidest du dich dazu, dein Testpublikum an der Entstehung teilhaben zu lassen, solltest du auf jeden Fall darauf achten, dass die Qualität der Quantität nicht zum Opfer fällt. Der Schlüssel ist, eine ausgeglichene Balance zu finden.
Und zuletzt: auch Testleser haben ein Recht auf ein möglichst fehlerfreies Manuskript. Nimm dir also die Zeit, um deinen Text zumindest einmal, besser mehrere Male durchzugehen, bevor du ihn für Anmerkungen zur Verfügung stellst.
Mein Tipp: Schreib deinen Roman erst einmal in aller Ruhe zu Ende. Damit hast du auch schon alle Ideen ausgearbeitet. Nicht selten fügt man in den ersten Kapiteln noch Dinge oder Nebenhandlungen hinzu, die einem beim Schreiben ein- oder auffallen.
Was kann ich von Testlesern erwarten?
Das ist eine schwierige Frage. Man muss sich im Klaren sein, dass sie keine Lektoren sind. Sie repräsentieren deine zukünftigen Leser und stehen in einer beratenden Funktion. Ein einfaches “Dein Buch ist gut” reicht aber einfach nicht aus. Es gibt unterschiedliche Meinungen dazu, vor allem, weil diese Leser meist nicht wissen, welches Feedback erwartet wird, worauf sie den Fokus legen müssen und wie sie Autoren bestmöglich unterstützen können.
Testleser brauchen dafür eine Hilfestellung, sodass du davon profitierst. Ich habe deshalb einen Fragebogen für diesen Zweck erstellt, den du am Ende dieses Beitrags kostenlos herunterladen kannst. Ich rate dir, die Fragen genau durchzugehen, deiner Geschichte anzupassen und eventuell zu erweitern. So bekommst du genau die Rückmeldung, die du für eine Überarbeitung brauchst.
Werden Testleser bezahlt?
Nein! Immer wieder sehe ich dazu Anzeigen im Internet. Diese Angebote sind keinesfalls seriös und meist ist man vom Ergebnis im Nachhinein enttäuscht. Testleser sind ganz normale Leser oder Autoren, die mit Leidenschaft dabei sind und sich dazu bereit erklären, dir Feedback im Austausch gegen ein literarisches Abenteuer zu geben.
Mein Tipp: Die Arbeit eines Testlesers ist trotzdem nicht zu unterschätzen. Sie widmen ihre Zeit einem Buch, das eben noch nicht lektoriert ist und noch die ein oder anderen Ecken und Kanten aufweisen. Im besten Fall gehen sie eben jene mit dir durch. Ihre Arbeit wertzuschätzen, ist also enorm wichtig. Eine schöne Geste wäre z.B. eine kleine Danksagung im fertigen Roman und eine gedruckte Ausgabe - sofern du eine planst.
Was ist mit dem Urheberrecht? Brauche ich eine Verschwiegenheitserklärung?
Das ist ein Thema, das immer wieder heiß diskutiert wird. Das Urheberrecht entsteht nach dem deutschen Gesetz automatisch mit der Schaffung eines Werkes und bedarf keiner Registrierung oder Anmeldung. Verschwiegenheitserklärungen schrecken die meisten Testleser ab und bedeuten für sie und dich mehr Zeitaufwand.
Sollte es tatsächlich zu dem Fall kommen, dass jemand deinen Roman kopiert, kannst du dein Urheberrecht relativ rasch mit dem Versionsverlauf deines Dokuments beweisen. (Aus rechtlichen Gründen sei hier gesagt, dass dies kein rechtsgültiger Hinweis ist. Mehr Informationen dazu findest du hier: Deutsches Patent- und Markenamt.)
Wo finde ich Testleser?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, an Testleser zu kommen.
Bekanntenkreis
Einerseits kann man Freunde, Familienangehörige und Bekannte um Hilfe bitten. Ich bin allerdings nicht unbedingt ein Fan davon. Wer dich so gut kennt, ist meist in der Bewertung nicht ganz objektiv und will dich mit Kritik klarerweise auch nicht kränken. Dabei sind konstruktive Kritik und ein scharfer Blick genau das, was du in diesem Fall brauchst. Am besten suchst du dir also jemanden, der dir nicht nahe steht oder von dem du weißt, dass er gnadenlos ehrlich ist.
Social Media
Das ist die größtmögliche Plattform für deine Suche. Auf Facebook gibt es sogar eigene Gruppen dazu. Ebenfalls zu empfehlen sind Autorenaustausch-, Bücher- und Lesegruppen. Instagram eignet sich dazu, dein Projekt vorzustellen und mit den Tags darauf hinzuweisen, dass du nach einem Testpublikum suchst.Leseforen
Du kannst deine Geschichte natürlich auch bereits online hochladen. Es gibt einige Plattformen (z.B. fanfiktion.de), auf denen Leser Kommentare zu einzelnen Kapitel hinterlassen. Allerdings ist das sehr allgemein gehalten und man baut im Normalfall auch keine nähere Verbindung zu den Lesern auf, um gewisse Plotstränge gemeinsam zu diskutieren.
Ansonsten lohnt es sich, generell in Leseforen einen Aufruf zu starten (z.B. Lovelybooks).Buchblogger
Suche im Internet nach Bloggern, die sich genau darauf spezialisiert haben. Gefallen dir Beiträge von einer speziellen Person besonders, schreib sie an und frag einfach mal nach und frag, ob sie Zeit und Lust hat, deine Geschichte testzulesen.Schreibbuddys
Eine hervorragende Möglichkeit, bei der Autoren untereinander ihre Manuskripte austauschen. Bedenke, dass Autoren nochmal einen ganz anderen Blick auf so etwas haben, aber gleichzeitig auch sehr kritisch und genau dabei sind.
Sei ruhig konkret in Bezug darauf, was du erwartest und dir erhoffst, sodass man direkt weiß, worauf man sich einlässt. Schreib in deinen Aufruf auf jeden Fall eine kurze Beschreibung deines Plots (im besten Fall ist bereits ein Klappentext vorhanden), das Genre, die Länge deines Romans in Normseiten oder Wortanzahl und ein zeitliches Limit. Der Zeitplan dient dazu, dass dein Manuskript nicht in Vergessenheit gerät.
Der richtige Testleser
Behalte im Hinterkopf, dass sie deine zukünftigen Leser repräsentieren. Es ist also wichtig, dass sie in deine Zielgruppe fallen. Stell dir hierzu die Frage, an wen deine Geschichte gerichtet ist. So lässt sich deine Auswahl bereits gut eingrenzen. Jemand, der mit Fantasy nichts anfangen kann oder so etwas für gewöhnlich nicht liest, wird dir in diesem Genre kein hilfreiches Feedback geben können.
Ein weiterer Faktor ist Zuverlässigkeit. Ganz oft passiert es, dass man von den eigenen Testlesern plötzlich nichts mehr hört. Nimm das auf keinen Fall persönlich und lass dich davon nicht demotivieren! Man weiß nie, was die Gründe dafür sind und leider geschieht so etwas häufiger, als man glauben möchte. Um das zu vermeiden, kannst du erst einmal ein oder zwei Kapitel versenden und dann auf eine kurze Rückmeldung warten. Somit kann man auch gleich feststellen, ob man auf einer Wellenlänge ist - auch das ist nämlich wichtig!
Du kannst zudem eine eigene Gruppe (Discord, Facebook, Whatsapp, …) erstellen, in der ihr euch alle gemeinsam austauscht. Die Gruppendynamik bringt oft zusätzliche Motivation, Ideen und Anregungen.
Mein Tipp: Beschränke dich auf wenige Testleser. Ich empfehle dir 3-5 Personen, sodass du weiterhin einen guten Überblick besitzt. Hier gilt das Sprichwort: Zu viele Köche verderben den Brei!
Kann eine KI die Arbeit eines Testlesers übernehmen?
Nicht, wenn du tatsächlich ehrliche und nützliche Kritik möchtest. Die KI kann für manche Probleme eine Hilfestellung sein, vor allem bei detailreichen Recherchen. Dabei ist jedoch wichtig, sich nicht - wie bei jeder anderen Recherche auch - auf eine Quelle zu verlassen.
Was eine Bewertung deines Buches angeht, rate ich von der KI ab. Zum einen fütterst du die Datenbank mit deinen hart erarbeiteten Ideen. Sie werden gespeichert und verarbeitet. Deshalb ist die KI in vielen Fällen auch kostenlos. Deine Daten dienen praktisch dem Training. Zum anderen kann man in der kostenlosen Version meist nur einzelne Kapitel einstellen. Der Zusammenhang geht dabei völlig verloren.
Für wen schreibst du? Einen Computer oder einen Menschen mit Gefühlen, Erinnerungen und Fantasie? Damit hat sich die Frage also schon beantwortet. Das wäre, als würde man einem Fünfjährigen, der nur Kinderbücher liest, die mittelhochdeutsche Version des “Nibelungenlieds” vorsetzen und nach konstruktiver Kritik fragen. Eine KI erkennt zumeist keinen Sarkasmus und sieht eine emotionale Szene aus völlig anderen Augen als ein Mensch. Menschen handeln oft unvorhersehbar oder unlogisch.
Zudem besitzt der Computer ein schier endloses Wissen. Er kann also ganz begeistert sein von den Dialogen aus dem 12. Jahrundert, aber der eigentliche Leser legt das Buch nach wenigen Seiten weg, weil er vom Dialog nichts versteht oder zu viele Begriffe erst einmal googeln muss. Die KI kann auch nicht zwischen Beschreibungen unterscheiden, die wichtig und solchen, die fehlplatziert sind.
Und so verhält es sich mit vielen Dingen. Namen, Infodumping, usw.
Die KI kann einem wunderbar Honig ums Maul schmieren, aber man sollte sein tatsächliches Publikum nicht aus den Augen verlieren.
Mein Tipp: Frag ChatGPT mal, wie viele ´r´ im Wort strawberry enthalten sind ;)
Mit Kritik umgehen
Eine schmerzhafte Wahrheit ganz zu Beginn: du wirst es nie allen recht machen. Konzentriere dich also mehr darauf, dir selbst treu zu bleiben. Es ist nicht ganz einfach, eine Balance zwischen der Beibehaltung des individuellen Stils und der Verbesserung dessen zu finden.
Im Gegensatz zu Lektoren sind die Meinungen von Testlesern überwiegend subjektiv, beachte das auch bei der Auswertung und versuche nicht, alles zwanghaft auf die Vorstellungen deiner Testleser hinzubiegen. Hinterfrage jeden Kritikpunkt und überlege, ob er gerechtfertigt ist oder ob es tatsächlich nur eine subjektive Ansicht darstellt. Fakt ist, dass du letztlich entscheidest, welche Kritik du annimmst und welche nicht.
Finden drei von vier Lesern deinen Schluss nicht gut, liegt es vielleicht nicht am Ende selbst, sondern daran, dass eine Kernbotschaft verloren ging, die zwar in deinem Kopf existiert, aber eben noch nicht zu Papier gebracht wurde. Und schon hat man eine Erklärung, weshalb es nicht funktioniert. Es ist deine Aufgabe, dass der Text so geschrieben ist, dass der Leser ihn richtig versteht.
Es kann aber auch sein, dass diese Leser den Schluss einfach nicht mögen. Das ist vollkommen in Ordnung. Denk daran, dass das nur drei von sehr vielen potenziellen Lesern sind. Achte aber darauf, dass du dir die Frage stellst, ob es eine subjektive oder objektive Beobachtung ist.
Noch etwas Wichtiges: Kritik ist nie an dich persönlich gerichtet! Das abzugrenzen, kann einem manchmal schwer fallen. Immerhin hat man Unmengen an Zeit und Mühe in seine Geschichte gesteckt. Doch Testleser - und auch deine zukünftigen Leser - bewerten lediglich das, was du für sie geschrieben hast, völlig neutral und ohne böse Absichten. Das macht Kritik auch so unheimlich wertvoll.
Erinnere dich zurück an deine ersten Texte, die du vielleicht im Unterricht verfasst oder in deinem Tagebuch notiert hast. Du hast einen weiten Weg hinter dir und dich mit jedem Satz und jedem Wort weiterentwickelt. Der eigene Stil ändert und verbessert sich stetig, doch daran muss man arbeiten und offen sein für Kritik. Sie gibt dir die Möglichkeit, dir zu zeigen, wo du dich verbessern kannst.
Lob und Anerkennung sind etwas Schönes, aber man kann nur aus Schwächen lernen. Eine gute Mischung aus positiven und negativen Vorschlägen bringt genau die Motivation, die man braucht, um sich noch einmal an den Text zu setzen.
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Du siehst, Testleser sind wirklich hilfreich und können dich in deinem Schaffungsprozess unterstützen. Hoffentlich haben dir einige dieser Tipps weitergeholfen, sodass du dich an dein erstes Publikum wagst. Vergiss aber nicht, dass Testleser keinen Lektor ersetzen. Sie können manche Fehler erkennen, wissen aber nicht, wie sie zu beheben sind.
Trau dich und lass andere an deiner Geschichte teilhaben!
Hier geht´s zum Download für den kostenlosen Fragebogen!